Das Universum ist gerade ein Stück größer geworden – nicht in der Realität, wohl aber in der Welt der Simulationen. Denn Astronomen haben jetzt die bisher größte hydrodynamische Kosmos-Simulation durchgeführt und veröffentlicht. Sie umfasst alle wichtigen Einflussfaktoren und rekonstruiert die Entwicklung unseres Universums in einem Ausschnitt vergleichbar dem der größten Teleskop-Kartierungen. Möglich wurde dieser Durchbruch erst durch einen Supercomputer der Exascale-Klasse.
Wie hat sich unser Universum entwickelt? Welche Faktoren prägen die Verteilung und Struktur von kosmischen Superhaufen, Gasfilamenten und Galaxien? Weil Himmelsdurchmusterungen nur einen Teil der Antworten liefern können, holen sich Astrophysiker das Weltall in den Computer: Sie führen komplexe kosmologische Simulationen durch, die auch verborgene Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten aufzeigen können – und im Idealfall auch einige offene Fragen der Astronomie klären.
Das Problem jedoch: Je mehr Parameter eine Simulation nachbildet, desto mehr Computerleistung benötigt man. Deshalb erfassen viele Modelle nur kleinere Ausschnitte des Kosmos oder berücksichtigen nur wenige Faktoren, beispielweise nur die Gravitation. „Aber wenn wir wissen wollen, wie das Universum funktioniert, müssen wir alle diese Faktoren simulieren: Die Gravitation genauso wie die ganze andere Physik, darunter den Einfluss von Gasen, die Sternbildung, Schwarze Löcher und Galaxien“, erklärt Projektleiter Salman Habib vom Argonne National Laboratory in den US.
Exascale-Supercomputer als Rechenhelfer
Eine solche sogenannte hydrodynamische Simulation haben nun Habib und sein Team durchgeführt – mithilfe von Frontier, dem ersten Exascale-Supercomputer der Welt. Dieser im Oak Ridge National Laboratory laufende Computerbolide knackte 2022 als erster Computer weltweit die Marke von 1,1 Exaflop – 1,1 Trillionen Gleitkommaberechnungen pro Sekunde. Um die kosmologische Simulation auf ihm laufen zu lassen, musste das Team um Habib zwei spezielle Programme entwickeln und für den Exascale-Rechner anpassen: den Hardware/Hybrid Accelerated Cosmology Code (HACC) und den AMR-Code Nyx.
„Diese Computercodes simulieren eine weite Spanne physikalischer Prozesse, die unter anderem beeinflussen, wie Milliarden Galaxien entstanden und sich zum kosmischen Netzwerk anordneten, aber die Entwicklung von Sternen von ihrer Geburt bis zur Supernova und alles dazwischen“, erklärt Habib. „Aber die Herausforderung war es, dabei sowohl große Größenskalen von mehreren Gigaparsec zu erfassen als auch kleinere Prozesse im 0,1-Kiloparsec-Bereich.“
Zudem mussten diese Programme so angepasst werden, dass sie auch auf der speziellen Rechnerarchitektur eines Exascale-Computers und dessen GPU-Beschleunigern laufen.
Ausgedehnt und detailreich zugleich
„Bis vor kurzem konnten wir es uns nicht einmal vorstellen, eine so große Simulation wie diese durchzuführen, außer in der auf die Gravitation reduzierten Form“, erklärt Habib. „Wir betrachten hier riesige Ausschnitte des Alls über Milliarden Jahre der kosmischen Expansion hinweg.“ Die Reichweite der neuen Exascale-Simulation entspricht der der Himmelskartierungen der größten Teleskope – zuvor war dies nicht möglich, wie das Team erklärt.
„Es ist aber nicht nur die schiere Größe, die uns jetzt direkte Vergleiche mit den großen Himmelsdurchmusterungen erlaubt“, sagt Bronson Messer vom Oak Ridge National Laboratory. „Es ist auch der verbesserte physikalische Realismus, die Baryonen und die gesamte dynamische Physik beinhaltet – dies macht diese Simulation zu einer echten Tour de Force für Frontier.“
Quelle: Oak Ridge National Laboratory